Am 6. Juli 2021 erschien ein Beitrag mit dem Titel: Faktencheck: Nein, die Produktion einer Tesla-Batterie verursacht keine 17 Tonnen CO2
Die Redaktion wollte die Stichhaltigkeit eines viralen Facebook-Eintrags untersuchen: „Die Produktion einer Tesla-Batterie stoße 17 Tonnen CO2 aus, so viel wie ein Verbrennungsmotor auf 200.000 Kilometer.“
Die Berechnungen von Correctiv.org beginnen zunächst weitgehend korrekt. Die darauf aufbauenden Schlussfolgerungen sind aber genauso falsch wie beinahe alles, was seit langem schon in der großen Mehrheit der sich seriös gebenden Medien zu lesen ist. Das liegt auch in diesem Fall an mangelnder Quellenprüfung.
Correctiv.org errechnet, dass ein Verbrennungsmotor über 200.000 km bei einem Verbrauch von 7,4 Liter wesentlich mehr CO2 produziert als auf Facebook behauptet, nämlich 35 bis 39 Tonnen.
Für die Akkuproduktion werden unter Nutzung geläufiger Quellen max. 13 Tonnen errechnet.
So weit, so gut.
Dann folgen allerdings fundamental falsche Behauptungen. Wenn man einen Sachverhalt selbst nicht hinreichend bewerten kann, kommt es halt sehr darauf an, wen man fragt. Wer an den Falschen gerät, wird in die Irre geführt.
Die zitierte Studie der Universität Eindhoven „Vergleich der lebenslangen Treibhausgasemissionen von Elektroautos mit den Emissionen von Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselmotoren“ hält den geläufigen Kriterien der Wissenschaftlichkeit jedenfalls nicht stand, sondern weist schwere, methodische Fehler auf. Eine genauere Analyse findet sich hier. Es folgt eine zusammenfassende Auflistung („H&S“ steht für die Autoren Hoekstra & Steinbuch):
- Vergleiche mit Verbrauchswerten aus verschiedenen Quellen mit unterschiedlichen Ermittlungsverfahren sind ohne Aussagekraft
- H&S versuchen die Herkunft ihrer Werte zu verschleiern
- Die Ausgangsdaten sind unzuverlässig. Vier der sechs Verbräuche lassen sich mit den angegebenen Quellen nicht belegen.
- Die Auswahl der Oberklasseautos orientiert sich nicht am Fahrzeugmarkt, sondern an der Überraschungswirkung auf den Leser
- Die Autoren nutzen ungewöhnlich hohe Kraftstoff-Emissionsfaktoren zweifelhafter Herkunft
- Hoekstra und Steinbuch versuchen mit rhetorischen Fragen zu kaschieren, dass Elektroautos zusätzliche Stromverbraucher sind, die eine um den Ladestrom erhöhte Fossilstromproduktion erzwingen
- H&S nehmen die Emissionen der Ladestromerzeugung mind. um den Faktor 3,4 zu niedrig an
- H&S versuchen zu vertuschen, dass der Anstieg der Ökostromquote die Klimabilanz des Elektroautos nicht verbessern kann, solange der Marginalstrom mit fossilen Energien erzeugt wird
Daneben wird noch das Fraunhofer-Institut ISI mit der Behauptung zitiert, „die Nutzung des Elektroautos verursache“ … „wesentlich weniger Emissionen“.
Diese steile These beruht ebenfalls auf einem schweren, methodischen Fehler. Prof. Martin Wietschel setzt zur Erstellung der Klimabilanz des E-Autos einfach den Durchschnittsstrommix an, der nicht regelbaren Grünstrom enthält. Damit versucht er zu kaschieren, dass der Zusatzstrombedarf zur Akkuaufladung noch für lange Jahre nur von fossilen Kraftwerken gedeckt werden kann (mehr dazu dort: Professor Wietschels vergebliche Suche nach dem „Grenznachfrager“). Korrigiert man diesen Fehler, so kehrt sich das Bild ins Gegenteil um, wie die folgende Rechnung zeigt:
Correctiv.org geht von einer Akkugröße von 130 kWh aus. Für Autos mit so großen Akkus liegen noch keine Alltagsverbräuche vor. Für den Tesla S mit dem 100 kWh-Akku wurde bei spritmonitor.de bis zum Sommer 2021 ein Durchschnitt von 20,67 kWh / 100 km ermittelt.
Wir suchen zuerst nach den CO2-Emissionen der fossilen Energieträger inkl. Bereitstellungsaufwänden und Kraftwerk-Wirkungsgraden. Diese betragen für Steinkohle 856, für Braunkohle 1082 und für Erdgas 490 g/kWh (Herleitung mit Quellenangaben siehe dort).
Lt. den Energy Charts trugen 2019 Braunkohle, Steinkohle und Gas 102, 50 und 53 TWh zur Stromproduktion bei. Nach dem Anteil an der Stromerzeugung gemittelt, ergibt das Marginalmixemissionen von 860 g/kWh.
(An dieser Stelle greift der weit verbreitete Greenwashing-Trick mit dem Durchschnittsstrommix. Dessen Emissionen lagen lt. de.statista.com 2019 mit 401 g CO2/kWh gerade einmal halb so hoch. Allein damit lassen sich die realen Emissionen der Elektromobilität scheinbar mehr als halbieren!)
Die Gesamtverluste auf dem Weg des Stroms vom Kraftwerk bis zum Antriebsstrang des E-Autos setzen sich aus drei Komponenten zusammen:
1. Dem Eigenbedarf der Kraftwerke
Die Bruttostromerzeugung betrug 2019 ca. 607 Mrd kWh, die Nettostromerzeugung hingegen nur 518 Mrd kWh; das bedeutet einen Zuschlag auf den Nettostrom von 17 Prozent.
2. Den Übertragungs- und Verteilverlusten
Westnetz, der größte deutsche Verteilnetzbetreiber, gab für 2019 Verluste von 7,17 % an. Dazu kommen aber noch die Verluste im vorgelagerten Übertragungsnetz. Zehn Prozent als Gesamtverluste sind daher eine konservative Annahme.
3. Den Ladeverlusten
2020 ermittelte der ADAC für die meisten Elektroautos Werte von 10 bis 20 Prozent. Beim europäischen Bestseller Renault ZOE waren es 19, beim Tesla 3 sogar 24,9 Prozent. Wir wählen vorsichtige 12,7 Prozent.
Die Einzelverluste sind miteinander zu multiplizieren: 1,17 x 1,1 x 1,127 = 1,45
Die Gesamtverluste betragen somit ca. 45 Prozent.
Das bedeutet einen Aufschlag von insgesamt mind. 45 Prozent auf die Anzeige des Bordcomputers. Die Kraftwerke müssen für 100 km Fahrt des Tesla S also etwa 30 kWh produzieren. Das ergibt CO2-Emissionen von 30 x 860 g/kWh = 25,8 kg CO2/100 km.
Zurück zur Rechnung von Correctiv.org. Für die Emissionen des Verbrenners nach 200.000 km waren 35 bis 39 Tonnen CO2 ermittelt worden. Der Tesla S kommt auf 51,6 Tonnen!
Dies ist das eigentlich relevante Ergebnis:
E-Autos verantworten bei ehrlicher Rechnung schon im Fahrbetrieb deutlich höhere Emissionen als Verbrenner. Die CO2-Emissionen bei der Akkuproduktion sind daher eher unwichtig.
Marcus Schreiber hat mit seinem HANDELSBLATT-Beitrag recht: Bis zum Jahr 2035 sind E-Autos noch echte Klimakiller
Darüber ist bei Correctiv.org nichts zu lesen. Diese Hintergrundinformationen hatte die eigene Recherche offenbar nicht zutage gefördert. Aufgrund der unkritischen Grundhaltung gehört leider auch Correctiv.org zum Kreis der Medien, die zu einer umfassenden Täuschung der Öffentlichkeit über die Folgen der Umstellung auf E-Autos beitragen.
Wer klärt diese Redakteure über ihre Denkfehler auf?
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—- Nachtrag am 11.7.2021:
Würde Correctiv.org gründlicher recherchieren, hätten sie übrigens für die Verbrenner Emissionen incl. Bereitstellungsaufwänden für Förderung, Verarbeitung und Transport der Ölprodukte verwendet. Im Oktober 2019 gab das Österreichische Umweltbundesamt 2723 g/l für Benzin und 3098 g/l für Dieselkraftstoff an. Für die obigen Verbrenner mit 7,4 Liter Verbrauch erhöhen sich die Emissionen über 200.000 km damit auf ca. 40 Tonnen bzw. 46 Tonnen. Das ist aber immer noch deutllich weniger als die 51,6 Tonnen des Tesla S. Vor allem jedoch ist es weniger als der Wert des aktuellen Bestsellers VW ID.3. Dessen Verbrauch liegt lt. spritmonitor.de bei ca. 20 kWh/100 km – das macht knapp 50 Tonnen CO2 über 200.000 km.
Fazit: Jeder in die Elektromobilität investierte Euro führt aufgrund des fossilen Marginalstrommix zu höheren CO2-Emissionen.
Ob E-Autos nach Abschaltung der Kohlekraftwerke in den Dreißigern mit Verbrennern mithalten können, wird davon abhängen, wie dann die Emissionen des Erdgases bewertet werden (dem in den letzten Jahren aufgrund der Methan-Freisetzungen während Produktion und Transport immer mehr Skepsis entgegenschlägt). Und sollte den konventionellen Kraftstoffen Synfuels aus regenerativen Quellen beigemischt werden, ziehen die Verbrenner wieder uneinholbar davon.
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Bildquelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/5/59/Logo-CORRECTIVorg.svg
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Hallo Herr Ruhsert, vielen Dank, dass Sie sich die Mühe machen, so detailliert und überzeugend die Fehlerhaftigkeit der Argumentation von correctiv nachzuweisen. Grüße Helmut Zell
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Leider haben Sie in ihrer Rechnung einen kleinen Fehler. Sie gehen davon aus, dass nur der fossile Strom für das Laden des Elektroautos genutzt wird. Die 251erzeugten TWh aus regenerativen Energiequellen werden nicht berücksichtigt. Wo sollen diese sein? Der Fairness halber sollte man auch die irgendwie Einpreisen, da die Wahrscheinlichkeit, dass ein eAuto tatsächlich mal grünen Strom abbekommt ist hoch.
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@EAutoskeptiker: Da machen Sie einen sehr häufigen Denkfehler. Selbstverständlich tanken die einzelnen E-Autos Durchschnittsstrom. Für die Klimabilanz ist das aber irrelevant, weil der darin enthaltene Ökostrom anderen Verbraucher entzogen wird. – Mehr dazu dort: https://derelektroautoschwindel.wordpress.com/2020/06/16/haltet-die-okostromdiebe/
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