Auch manche sich kritisch wähnenden Menschen schreiben zuweilen erstaunlichen Unsinn. So etwa Hans-Josef Fell, EWG-Präsident und Mitautor des EEG 2000:
„Dass erneuerbare Energien heute so kostengünstig sind, sollte für jeden und jede Motivation genug sein, den teuren Kohlestrom aus den Leitungen durch eigene Stromerzeugung zu ersetzen. Wenn daraus wieder eine starke Volksbewegung wird, dann wird der Kohleausstieg in den nächsten Jahren erledigt sein und das Kohlelaufzeitverlängerungsgesetz würde trotz der hohen Subventionen ins Leere laufen. Wir haben es selbst in der Hand, den klima- und gesundheitsschädlichen Kohlestrom endgültig und für immer abzuschalten.“
Quelle: PV-Magazine
Die Überschrift des Beitrags lautet:
Kohlelobby hat Union und SPD fest im Griff
Ach wirklich?
Das mag einst so gewesen sein – in einer längst vergangenen Zeit. Ein sehr empfehlenswerter Artikel der WELT beschreibt dagegen die aktuellen Kräfteverhältnisse:
„Der Braunkohlenverband Debriv bringt es in seinem Büro am Berliner Schillertheater auf drei hauptberufliche Lobbyisten: den Geschäftsführer und zwei Juristen … Die Öffentlichkeitsarbeit konzentriert sich hauptsächlich auf die Versendung von sogenannten Informationsbriefen und einmal jährlich einem Statistikfaltblatt. …
Komplettiert wird das „fossile Imperium“ auf der Steinkohlenseite durch den Geschäftsführer des VDKi und zwei Mitarbeiter, alle in Teilzeit, die sich einen Büroraum mit kostensparendem ‚Shared Service‘ in Berlin-Mitte teilen.“
Das sind die letzten Erfolge der mächtigen Kohlelobby:
„Bei der Regierungskommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, kurz WSB, die den Kohleausstieg vorbereitete, saßen Vertreter von BUND und Naturschutzring am Tisch, dazu Vertreter des Öko-Instituts und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sowie ‚Betroffene‘ aus den Tagebaugebieten. …
Vertreter der unmittelbar betroffenen Kohleindustrie waren jedoch nicht zugelassen. ‚Bei der Ausstiegsdebatte in der WSB-Kommission durften wir nicht einmal zuhören‘, erinnert sich der damalige Geschäftsführer des Vereins der Kohlenimporteure, Franz-Josef Wodopia: ‚Da waren wir draußen.'“
Die andere Seite ist weitaus schlagkräftiger:
„Während sich die Mannschaftsstärke des angeblichen ‚fossilen Imperiums‘ heute buchstäblich an einer Hand abzählen lässt, listet allein der Bundesverband Windenergie (BWE) in seinem Juristischen Beirat 100 Rechtsanwälte und Experten auf, der Geschäftsbericht nennt knapp 40 Mitarbeiterstellen. Der Bundesverband Erneuerbare
Energie (BEE) hat in der Geschäftsführung 20 Angestellte.“
Die „Kohlelobby“ scheint nur noch ein paar verlorene Hanseln aufbieten zu können, mit denen kaum mehr jemand reden mag. Auch dass inzwischen sogar nagelneue und hochmoderne Kraftwerke stillgelegt werden, lässt darauf schließen, dass die Macht längst mit den anderen ist. Wenn dennoch gelegentlich die Abschaltung von fossilen Kraftwerken verhindert wird, dann nicht wegen der (eingebildeten) Stärke „der Kohlelobby“, sondern aufgrund von Einsprüchen der Bundesnetzagentur, welche die Sicherheit der Stromversorgung gefährdet sieht. Man kann eben nicht einfach den Kohlestrom durch „eigenen Strom“ ersetzen, solange man für Dunkelflauten weiterhin fast die gesamte Leistung zusätzlich aus konventionellen Kraftwerken bereithalten muss:

Gelb: Solarenergie; hellgrün: Windenergie
Entgegen dem Zerrbild, das von einigen Kampagnentruppen gezeichnet wird, ist keineswegs jedes noch laufende Kohlekraftwerk Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit. Solange die Politik sich nicht endlich um ein europäisches Supergrid, Brennstoffe aus EE und ggf. noch hinreichend große Speicher kümmert, geht’s nun einmal nicht ohne Fossilstrom.
P.S.
Das zur Fossilstromersetzung nötige Geld wird übrigens gerade auf andere Weise vergeudet – für eine Lade-Infrastruktur, die längst wieder erneuerungsbedürftig sein wird, wenn der Strom endlich grün ist und die E-Autos tatsächlich klimaneutral fahren.
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Was vor allem witzig an der Sache ist, ist die Annahme, das diese mächtige Kohlelobby einerseits EE verhindert aber keinerlei Interesse haben soll die derzeit Erdölbasierten Verbrenner durch „Kohlebtankte“ E-Autos zu ersetzen um die weitere Kohleverstromung zu fördern. Scheint ohnhin so ein Narrativ bestimmter „Umweltschützer“ das weder bei EE Stromquellen noch bei E-Autos eine Lobby existieren würde die im Eigeninteresse zur Not auch aus Umweltsicht kontraproduktive Maßnahmen durchsetzen wollten.
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